Habitat/Ökologie (Meinunger & Schröder 2007) Dicranum brevifolium wird in der deutschen Literatur bis in die neueste Zeit nur als Form oder Varietät von D. muehlenbeckii geführt. Erst die neuen Bearbeitungen von Nyholm (1986) und Hedenäs & Bisang (2004) gestatten eine sichere Bestimmung. Es handelt sich um eine gut abgegrenzte, ausgezeichnete Art, die von D. muehlenbeckii durch doppelschichtigen Blattrand sowie im Blattquerschnitt durch die Form „like a pair of tongs“, anderen Rippenquerschnitt und starke, kuppelförmige Aufwölbungen über den Zellpfeilern sicher zu unterscheiden ist. Auch das Areal im Gebiet ist eigenständig und völlig von dem von D. muehlenbeckii verschieden. Die Pflanzen sind etwas kleiner als die beiden vorhergehenden Arten und erinnern sehr an Dicranum bergeri. Die Art wächst in lückigen Rasengesellschaften, in höheren Lagen auch über Felsen auf kalkhaltigen oder neutralen Böden, saure Unterlagen werden streng gemieden. Nach Untersuchung von etwa 200 Proben „Dicranum muehlenbeckii agg.“ aus den Herbarien M und JE sowie Aufsammlungen neuerer Bryologen beginnt sich das Areal klar abzuzeichnen. Nachfolgend eine Zusammenstellung aller von Geheeb gefundenen Stellen, die Jahreszahlen beziehen sich auf seine Veröffentlichungen. Einige bisher unveröffentlichte Funde finden sich in seinen Exkursionstagebüchern und sind entsprechend gekennzeichnet, die Fundstellen verteilen sich über Hessen, Thüringen und Bayern: HE: 5425/4, 5525/2 Westhang der großen Wasserkuppe (1876); 5525/2 Bergwiesen oberhalb Sandberg beim Feldberghof, rechts vom Pfade nach Wüstensachsen, nahe am letzten Buchengehölz, 20.10.1872 (1876a, Tagebuch). TH: 5326/1 Steril auf einer Trift oberhalb Andenhausen gegen den Kohlbacherhof, 26.04.1872 (Tagebuch). BY: 5426/3 (oder /4?) Steril auf der Hohen Rhön zwischen Rüdenschwinden und Birx, 17.06.1878 (1901, Tagebuch); 5525/4 Steril häufig, mit Früchten spärlich auf Bergwiesen oberhalb des Rhönhäuschens, 30.09.1874 (Tagebuch); 5526/1 Bergwiese nahe dem Kleinen Moor (1870); 5526/1 Heidelstein (= Schwabenhimmel), hier war die Art am häufigsten und ist mehrfach belegt (siehe oben): „fructificirt reichlich auf dem Schwabenhimmelberg, an trockenen, grasigen Stellen, circa 900 m“ (1872); 5526/3 Bauersberg (1872); 5625/4 Auf dem Plateau des Todtemannbergs (= Totmansberg) und an dessen Abhang gegen den „Goldbrunnen“; auf dem Brandenstein in den Schwarzen Bergen (1872). – BY: Alpenvorland: Folgende, sämtlich unter Dicranum muehlenbeckii abgelegte Proben gehören hierher: 7631/3 und 7731/2 Feuchte Lechtalwiesen bei Mering, 1864, Caflisch (JE, det. !); Meringer Lechfeld, 1864, Holler, mehrere Belege (M, det. !); 7735/2 Garchinger Heide, 1926, Paul & Schwind (M, det. !); 8033/1 Heidehügel nördlich Machtlfing, 1945, Paul (M, det. !); 8033/2, nördlich Pöcking, 1945, Paul (M, det. !). Alpen: Nach D. spadiceum ist D. brevifolium in diesem Gebiet die verbreitetste Art der „Muehlenbeckii-Gruppe“. Zwar haben schon ältere Bryologen teilweise auf die Existenz von „var. brevifolium“ hingewiesen, die Bestimmungen wurden jedoch nicht konsequent durchgeführt. Die vorliegende Verbreitungskarte wurde nur nach geprüften Belegen gezeichnet, mit weiteren, noch nicht erfassten Fundstellen ist zu rechnen. Allgäu: In M und REG befinden sich zahlreiche Belege von Sendtner, Holler und Molendo, die hier nicht aufgelistet werden sollen. Neuer Nachweis: 8526/4 Im Tal S vom Riedberghorn, 1600 m, halbschattiger Sandsteinblock, 26.06.2003, M. Preussing (!). Wetterstein: 8531/4 Zugspitzplatt, mit D. spadiceum, 1862, Molendo (M !); 8532/3 Schöngänge an der Alpspitze, mit D. spadiceum und D. muehlenbeckii s. str., 1862, Molendo & Lorentz (M !); 8532/4 Teufelsgrass nach der Schachener Alpe, 1849, Sendtner (M !); 8432/4 Loisachtal S Oberau, östlich der Loisach nahe der „Schanze“, heideartiges Gebiet mit Föhren und Fichten, 655 m, 03.12.1967, H. & R. Lotto (det. !); 8532/1 Grainau, Höhenrain, westlicher Querweg, offener Rücken, sonnig, 05.03.1971, R. Lotto (det. !); 8533/1+2 Buckelwiesen zwischen Klais und Tonihof, 23.09.1992, R. Lotto (!!); 8533/4 Karwendelspitze, 2003, W. Braun (det. !). Schliersee und Chiemgauer Alpen: 8337/2 Rotwand, Paul (M !); 8239/4 und 8240/3 Aschentaler Wände am Geigelstein, 1920, Paul (M !). Berchtesgaden: Zahlreiche Belege in M: 8343/2 Berchtesgadener Hochthron, 1905, Schoenau; 8344/1 auf der Almbachscharte am Untersberg, 1862, Allescher; 8343/3 Reiteralpe, Edelweißlahner und andere Stellen, 1954, Grützmann; 8444/1 Am Torrener Joch, 1914, Paul; 8443/4 und 8543/2 Umgebung Funtensee, Viehkogel, Schottmalhorn, mehrere Belege, leg. Paul und Grützmann; 8443/1 und/oder /2 Watzmannanger, 1861, Allescher. Neue Nachweise: 8444/14 Am Schneibsteingipfel, im alpinen Rasen, 2275 m, 11.10.1988, U. Beyerlein (det. !, Höper 1996 als Dicranum muehlenbeckii); 8444/1+3 Fagstein O vom Königssee, 2000 m, 16.08.1989, U. Beyerlein (det. !). Folgende Belege von F. & K. Koppe in STU wurden von M. Sauer revidiert und gehören hierher: 8627/3+4 Breitengernalp, auf humosen Kalkfelsen, 05.08.1935; 8727/1 Obere Haldenwanger Hütte, Geröll unter Knieholz, 10.08.1935; 8626/2 Im Bergwald über dem Ort Rohrmoos, am Anstieg zum Gottesacker, 18.08.1935.
Verbreitung (Meinunger & Schröder 2007) Das Hauptverbreitungsgebiet liegt in höheren Lagen der Alpen, von da aus steigt die Art vereinzelt bis in die Gegend von Augsburg und München herab. Ein isoliertes, kleines Teilareal liegt (lag) in der Rhön. Dieses Verbreitungsbild ist für unser Gebiet einzigartig und besitzt kein Gegenstück. Rhön: Die Art wurde in diesem Gebiet von Geheeb (1870) am 07.09.1869 auf einer Bergwiese nahe dem Kleinen Moor (TK 5526/1) gefunden und unter der Bezeichnung Dicranum muehlenbeckii veröffentlicht. Die bald danach entdeckten Hauptvorkommen lagen im gleichen Quadranten auf dem Heidelstein (= Schwabenhimmel), von hier finden sich Geheeb‘sche Belege von 1871 in M und von 1875 in GFW sowie mehrere von Röll 1886 gesammelte Belege in den Herbarien M und JE. Alle Proben gehören einheitlich zu Dicranum brevifolium (!). Zu den übrigen Fundstellen sind keine Belege mehr vorhanden, das Herbarium Geheeb befand sich im Botanischen Museum Berlin-Dahlem und ist dort 1943 im Krieg verbrannt. Es ist davon auszugehen, dass auch alle übrigen Angaben hierher gehörten. Nach Geheeb und Röll hat anscheinend kein Bryologe mehr die Art in der Rhön gesammelt oder bestätigt. Auch von uns, K. Offner, C. Schmidt und I. Dietz durchgeführte gezielte Suchaktionen brachten kein positives Ergebnis. Die Fundstellen lagen alle in kurzrasigen, lückigen und von Blöcken durchsetzten, extensiv bewirtschafteten Magerrasen über Basalt, solche Stellen sind heute nicht mehr vorhanden. Eine weitere Ursache für den Rückgang der Art schon um oder vor 1900 dürfte in der einsetzenden Substratversauerung, verursacht durch hohe Schadstoffimmissionen im beginnenden Industriezeitalter zu suchen sein. Während sich die Existenzbedingungen für das kalkliebende oder zumindest neutrophile D. brevifolium ständig verschlechterten, verbesserten sich dieselben für das säureliebende D. fuscescens immer mehr. Letztere Art fehlte zu Geheeb´s Zeiten in der Rhön fast völlig, es gab nur einen Nachweis beim Schwarzen Moor: Grimme (1936). Heute ist Dicranum fuscescens in der Hohen Rhön in allen Quadranten nachgewiesen worden.
Bestand und Gefährdung (Meinunger & Schröder 2007) Im Voralpengebiet ist die Art verschollen, in der Rhön inzwischen vermutlich völlig ausgestorben: RL O. Die genaue Verbreitung in den Alpen muss künftig noch ermittelt werden, die Neufunde zeigen, dass sie hier gegenwärtig nicht stärker gefährdet ist.